Samstag, 3. September 2016
Expertenlob: Dietler-Passage in Freiburg ist vorbildlich umgebaut
Liebe Leserinnen und Leser,

als kleine Pressenachlese finden Sie nachstehend die beiden Artikel:
Freiburg: Barrierefreiheit: Expertenlob: Dietler-Passage in Freiburg ist vorbildlich umgebaut
Quelle: badische-zeitung.de
Und
Freiburg: Viele Hürden: Von einer barrierefreien Innenstadt ist Freiburg weit entfernt
Quelle: badische-zeitung.de
(Links zu den beiden Artikeln am Schluss des Newsletters)

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Expertenlob: Dietler-Passage in Freiburg ist vorbildlich umgebaut

Die Behindertenbeauftragte der Stadt lobt die Barrierefreiheit in der Passage zwischen Grünwälderstraße und Gerberau.

Die Behindertenbeauftragte Sarah Baumg...ts) und Edo Medicks vom Hummus-Imbiss | Foto: Thomas Kunz
Die Behindertenbeauftragte Sarah Baumgart (rechts) und Edo Medicks vom Hummus-Imbiss Foto: Thomas Kunz

Vor drei Jahren wechselte die Dietler-Passage zwischen Salz-, Grünwälderstraße und Gerberau den Besitzer; seither gehört sie dem Karlsruher Kaufmann Thomas
Rühle. Inzwischen ist sie, nach Zeiten von Leerstand und Vernachlässigung, saniert, zu fast 100 Prozent vermietet und wieder gut besucht. Lob kommt nun
auch von eher ungewohnter Seite: Die Behindertenbeauftragte bezeichnet den behindertenfreundlichen Umbau der Passage als vorbildlich.

"Nur eine Anregung", sagt Daniela Schmid, die Vorsitzende des Freiburger Behindertenbeirats und selbst sehbehindert. "Diese Stufen da sind schwer zu unterscheiden,
ein Kontraststreifen würde helfen." Nachdenklich betrachten Hans Dieter Rühle, Bruder des Eigentümers, und Passagen-Manager Jürgen Weber die zwei Stufen,
die zwischen Säulen zum Imbiss "Edo's Hummus Küche" führen. "Das machen wir", sagt Rühle und bittet den Passagen-Manager: "Schreiben Sie das gleich auf?"


So unkompliziert muss man sich die Zusammenarbeit zwischen Passagen-Management und Behindertenbeirat wohl öfter vorstellen. Aus eigenem Antrieb und zusammen
mit der Behindertenbeauftragten Sarah Baumgart haben die Verantwortlichen die Dietler-Passage rollstuhlgerecht gemacht. Alle Stufen sind zu flachen Rampen
geworden oder um Rampen ergänzt. Sarah Baumgart, die selbst in einem breiten Elektrorollstuhl sitzt, demonstriert, wie einfach es geworden ist, von der
Grünwälderstraße zum Aufzug am anderen Ende der Passage zu kommen - und von dort nach unten in die Gerberau. Alle Geschäfte sind jetzt barrierefrei zu
erreichen.

"Auch die Beleuchtung ist deutlich besser geworden", sagt Daniela Schmid. Mit ihren Anregungen hätten sie offene Türen eingerannt, "wie von Zauberhand"
sei alles umgesetzt worden. Dabei machten alle mit. Im Hummus-Imbiss gibt es jetzt eine barrierefreie Toilette, auf der kleinen Terrasse davor verzichtete
Imbissbetreiber Edo Medicks auf zwei Tische, um den Durchgang zur Markthalle für Rollstühle möglich zu machen.


Doch nicht nur Rollstuhlfahrer haben etwas von den Umbauten, sondern auch Eltern mit Kinderwagen. "Das nützt ja nicht nur unseren behinderten, sondern
auch den nicht-behindernten Kunden", sagt Hans Dieter Rühle. Die Verbesserungen müssen gar nicht immer groß sein: Ein Haken in der Behindertentoilette
freut alle Damen mit Handtasche. "Man muss einfach dran denken", sagt Rühle, "dann macht man das einmal und es ist gut." Die Kosten haben die Eigentümer
getragen - das Absenken der Stufen zur Rampe etwa kostet etwa 2500 Euro - oder sich mit den Geschäftsleuten geteilt, zum Beispiel bei der rund 8000 Euro
teuren Behindertentoilette.


"Toll wäre, wenn alle Einzelhändler so mitziehen", sagt die Behindertenbeauftragte. "Gerade der Freiburger Einzelhandel hat Nachholbedarf, was Barrierefreiheit
angeht. Wir wünschen uns, dass mehr Geschäftsinhaber Menschen mit Behinderung und Senioren als Zielgruppe erkennen und angesichts des demografischen Wandels
und dem geänderten Verständnis von Teilhabe in der Gesellschaft dem Beispiel von Herrn Rühle folgen."


Eine der besten


Geschäftslagen


Damit steht die Dietler-Passage wieder gut da. "Derzeit sind wir zu fast 100 Prozent vermietet", sagt Passagen-Manager Weber. Die Passage profitierte dabei
von der Sanierung des Atriums am Augustinerplatz: Sushibar, Hummus-Imbiss und "Sabai Thai Massage" zogen in die Dietler-Passage um. Dazu kamen hochwertige
Läden wie "L'adorable France", während Stamm-Mieter wie Kieser oder Bang & Olufsen blieben. Seit drei Jahren werde kontinuierlich saniert. Weber: "Wir
müssen keine Mieter mehr suchen, die Mieter kommen zu uns." Je nach Laden vermiete man für 30 Euro pro Quadratmeter kalt, bei Büroflächen für 12 bis 15
Euro.


Die 1987 eröffnete Passage in einer der besten Geschäftslagen Freiburgs gehörte lange einer Freiburger Erbengemeinschaft, bis ein Investor aus Pforzheim
übernahm. Dieser verkaufte den Komplex, zu dem auch die Sportarena von Mieter Kaufhof gehörte, nach knapp einem Jahr - angeblich mit einem Gewinn von fünf
Millionen Euro - wieder und zwar getrennt: Die Sportarena ging an Investoren aus Hamburg, die eigentliche Dietler-Passage an Thomas Rühle, einen privaten
Investor aus Karlsruhe. Dieser strebe an, die Passage langfristig zu halten und zu entwickeln, so Passagen-Manager Weber. Deshalb auch der barrierefreie
Umbau. Eine neue Idee gibt es schon: Statt der Werbeaufsteller, an denen Blinde mit ihrem Stock hängenbleiben können, würden die Eigentümer lieber eine
Stele mit Werbung aufstellen - sieht besser aus und ist quasi barrierefrei.

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Viele Hürden
Von einer barrierefreien Innenstadt ist Freiburg weit entfernt

Das grobe Pflaster auf dem Münsterplatz ist für Menschen mit Rollstuhl teils völlig unzugänglich. Der Behindertenbeirat fordert nun eine Stelle für einen
Koordinator.

Das Kopfsteinpflaster in Freiburg mach...chen und Rollstuhlfahrern zu schaffen. | Foto: Thomas Kunz
Das Kopfsteinpflaster in Freiburg macht gehbehinderten Menschen und Rollstuhlfahrern zu schaffen. Foto: Thomas Kunz

Bereits 2011 forderten alle Fraktionen eine Auseinandersetzung mit diesem Thema. Im Frühsommer präsentierte die Stadtverwaltung den Zwischenbericht für
ein Konzept. Die Behindertenbeauftragte Sarah Baumgart und der Beirat für Menschen mit Behinderung stehen dahinter, zweifeln aber, ob die Ziele wie geplant
umgesetzt werden. Sie fordern mindestens eine halbe Stelle für eine Koordinationsperson beim Garten- und Tiefbauamt.

Beispiel Münsterplatz: Das grobe Pflaster ist für Menschen mit Rollstuhl teils völlig unzugänglich, mit Kinderwagen oder Rollator ist es zumindest eine
Herausforderung. Rollstuhlfahrer, die zu Spastiken neigen, geraten durch das Durchgeschütteltwerden beim Drüberfahren in Gefahr, bilanziert die Behindertenbeauftragte
Sarah Baumgart.


Wunsch: barrierefreier Rundweg um den Platz

Doch der Münsterplatz ist ein wichtiger Ort längst nicht nur für Touristen, sondern erst recht im Alltag, betont sie: "Hier ist täglich Markt, es finden
viele Veranstaltungen statt. Und der Platz ist ein Wahrzeichen für Freiburg." Ihr Wunsch wäre ein barrierefreier Rundweg auf dem Münsterplatz. Sie weiß,
dass das schwierig wird: Die Interessen von Markthändlern, Cafebetreibern, Denkmalschutz und Brandschutz lassen sich nicht ohne weiteres mit Barrierefreiheit
vereinbaren. Ähnliche Konflikte gibt's auf dem Rathaus- und dem Augustinerplatz und beim Bertoldsbrunnen.

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Das gilt auch für die wichtigsten Routen

Dasselbe gilt auch auf den wichtigsten Routen durch die Innenstadt, zum Beispiel für die Eisenbahnstraße, die Kaiser-Joseph-Straße oder den Schwabentorplatz.
Problematisch sind unter anderem die oft starken Querneigungen, fehlende taktile Abgrenzungen für Menschen mit Sehbehinderung und die Nutzung von teils
ohnehin engen Wegen Flächen durch Gastronomie oder durch Werbeträger von Geschäften.


Nicht nur mühsam, sondern auch gefährlich ist der Alltag für Menschen mit Sehbehinderungen, wenn Ampelanlagen nicht umgerüstet sind. Und dann ist da das
weite Feld des öffentlichen Nahverkehrs, der gesetzlich eigentlich bis 2022 für alle Menschen nutzbar sein müsste, einschließlich der Umgestaltung des
Bahnhofs.


Bis 2020 sollen die Ziele umgesetzt sein

Bei der Bahn kam zuletzt Bewegung in die Sache, für alle anderen Punkte hat ein interfraktioneller Antrag im Gemeinderat Ende Juni etwas konkretere Forderungen
aufgestellt: Die wichtigsten Ziele sollen bis zum Stadtjubiläum 2020 umgesetzt werden. Garantieren soll das ein verbindliches Konzept mit klaren Zeitplänen
und Zuständigkeiten, das bis Mitte 2017 fertig sein soll. Das ist ganz im Sinne von Sarah Baumgart und ihrer ehrenamtlich arbeitenden Kollegin Daniela
Schmid vom Beirat für Menschen mit Behinderung. Doch bei einem entscheidenden Punkt bitten sie die Fraktionen, deutlicher Stellung zu beziehen: Bisher
nämlich ist in dem Antrag nur die Rede davon, eine Koordinationsperson beim Garten- und Tiefbauamt zu benennen.


Das nutze überhaupt nichts, wenn diese Person für die sehr aufwändigen Umbaufragen nicht mit mindestens einer halben Stelle ausgestattet werde, argumentieren
Sarah Baumgart und Daniela Schmid. Die städtischen Mitarbeiter seien engagiert, aber sie hätten nicht genug Ressourcen.


Die Stadtverwaltung wartet erstmal ab: "Bis wann und wie das Konzept umgesetzt wird, hängt von den personellen und finanziellen Ressourcen ab, die der
Gemeinderat dafür im nächsten Haushalt zur Verfügung stellt", sagt der städtische Pressesprecher Toni Klein auf Anfrage der BZ.

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Quellenverweise:
www.badische-zeitung.de/dietler-passage-vorbildlich-umgebaut zum Thema Barrierefreiheit
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/von-einer-barrierefreien-innenstadt-ist-freiburg-weit-entfernt ebenfalls zum Thema Barrierefreiheit in der Freiburger Innenstadt von
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Landesblinden- und -sehbehindertenverband Baden-Württemberg-Aktuell