Freitag, 1. Juli 2016
Spezielle Apps für Blinde und Sehbehinderte
LBSV schreibt:

Liebe Leserinnen und Leser,
Durch die Stiftung Warentest erhielten wir die folgende Pressemitteilung vom 22.06.2016:

Hilfreiche Unterstützung im Alltag: Apps für Sehbehinderte und Blinde
Spezielle Apps für Blinde und Sehbehinderte können sich als hilfreich für die Nutzer erweisen und sie bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützen. Die App TapTapSee etwa kann Gegenstände, die zuvor mit der Kamera des Smartphones aufgenommen wurden, erkennen und beschreiben. Die Navigations-Apps ViaOpta Nav und BlindSquare lotsen Nutzer durch den Großstadtdschungel und sind besonders für Blinde eine Hilfe. Bei einigen Apps jedoch ist das Datensendeverhalten kritisch. Die Stiftung Warentest hat zehn Apps für Blinde und Sehbehinderte untersucht. Der ausführliche Test findet sich in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift test und ist kostenlos im Internet unter www.test.de/apps-sehbehinderte-blinde verfügbar.

Besonders positiv sticht die Texterkennungs-App KNFB Reader heraus. Als einzige im Test eignet sie sich für Blinde wie für Sehbehinderte und für Smartphones mit Betriebssystem iOS sowie Android. Mit der 100 Euro teuren App können Nutzer Texte einscannen, um sie sich vorlesen oder vergrößert auf dem Display anzeigen zu lassen.

Hingegen konnte die kostenlose Texterkennungs-App Text Detektiv die eingescannten Texte nicht immer richtig erkennen und eignet sich eher für kurze Texte als für lange.
Als etwas überladen und nicht ganz einfach in der Bedienung wurde die kostenlose App Kubuus bewertet. Sie verbindet Smartphone-Nutzer mit einer Facebookseite, die Sehbehinderte und Blinde mit Nachrichten versorgt. Ferner bietet sie Suchmöglichkeiten, etwa nach Hörfilmen im Fernsehen und einen Katalog, in welchen Bibliotheken welche Hörbücher erhältlich sind. Eine weitere App, Lupe + Licht, vergrößert vor das Smartphone gehaltene Gegenstände. Im Test fanden blinde und sehbehinderte Nutzer die Bedienung jedoch nicht ganz so einfach.

Bei der Androidversion von vier Apps bewertete die Stiftung Warentest das Datensendeverhalten kritisch. Die Apps senden unnötigerweise eine Geräteerkennung, die das Smartphone eindeutig identifiziert. Zwei von ihnen bedienen einen US-amerikanischen Profi-Datensammler.

Artikel-Website: https://www.test.de/Apps-fuer-Sehbehinderte-und-Blinde-Lotsen-fuer-das-Unsichtbare-5033370-0/

Artikel-PDF: https://www.test.de/filestore/5034716_t201607084.pdf?path=/protected/53/41/dbca9394-e4b9-44cc-840a-f3aaad2ba6c3-protectedfile.pdf

Artikel-ePub: https://www.test.de/filestore/5035875_Apps_Blinde_NEU.epub?path=/protected/52/17/a27c1020-d762-4eab-a3c1-71017e05e962-protectedfile.epub

Nachfolgend ein Auszug aus dem Bericht:
Apps für Sehbehinderte und Blinde - Lotsen für das Unsichtbare - Test - Stiftung Warentest

Inhalt
1. Startseite Test
2. So haben wir getestet
3. Unser Rat
4. Apps für die Navigation
5. Apps für Objekt­erkennung
6. Apps für Text­erkennung
7. Apps für Unterhaltung
8. Apps mit Lupenfunktion
9. Anbieter + Adressen
10. Artikel als PDF (5 Seiten)

Apps oft praktischer als Navigations- oder Lesegeräte

Manche Anwendungen ließen sich auch mit herkömm­lichen Navigations- oder Lesegeräten abdecken. Doch seien sie häufig sper­rig und teuer - Smartphone-Apps
hingegen oft gratis und praktischer­weise auf einem Gerät vereint. "Apps erhöhen die Teilhabe enorm", findet Heinz Mehr­lich, selbst sehbehindert, begeisterter
Smartphone-Nutzer und aktiv in der Selbst­hilfe. Doch die Anforderungen an die Apps unterschieden sich, abhängig von der konkreten Einschränkung.

Vorhandenes Sehvermögen nutzen
Apps für Sehbehinderte und Blinde Test
© Stiftung Warentest

Vergrößert. Diese App fungiert als Lu­pe für Gegen­stände vor der Smart­phone-Kamera.

Diverse Gründe können zu Sehbehin­derung oder gar zur Erblindung führen, darunter Augen­leiden wie grüner und grauer Star, Netzhautschäden infolge der Zuckerkrankheit
Diabetes oder der alters­abhängigen Makuladegeneration (AMD). (Dazu auch unsere Unter­suchung
Sehkraft erhalten, Makuladegeneration bekämpfen - was hilft?,
test 2/2016.) Viele dieser Probleme mehren sich mit zunehmendem Alter. Im Zuge der demogra­fischen Entwick­lung könnte die Zahl Betroffener steigen. Derzeit
leben laut Schät­zungen etwa 200 000 Blinde und 1,2 bis 1,5 Millionen Sehbehinderte in Deutsch­land. "Sehbehinderte haben ein Rest­sehvermögen und wollen
das auch nutzen", sagt Mehr­lich. "Sie verwenden Smartphones oft ähnlich wie Normalsichtige - indem sie mit den visuellen Hilfen auf dem Display arbeiten."

Tipp: Hilf­reich bei Sehbeein­trächtigungen sind ein großes Display, eine große Schrift und starke Kontraste.

Blinde brauchen die Sprach­ausgabe
Apps für Sehbehinderte und Blinde Test
© Stiftung Warentest

Solche Maßnahmen nützen Blinden wenig. Sie sehen höchs­tens einen Bruch­teil dessen, was ein Normalsichtiger erkennt. Die Sprach­ausgabe ist unabding­bar.
Die Funk­tion heißt bei iOS-Geräten von Apple "VoiceOver", bei Android-Handys zum Beispiel "TalkBack". Sie ist bereits im Betriebs­system verankert und
lässt sich ein- und abschalten. Sich damit vertraut zu machen, kostet Zeit, Geduld und Übung.

Hilf­reich. Die Sprach­ausgabe - beim iPhone heißt sie "VoiceOver" - liegt unter "Bedienungs­hilfen". Diese finden sich unter den Einstel­lungen. Dort sind
zudem Hilfen für Sehbehin­der­te wie "Größerer Text" oder "Kontrast erhöhen". Auch Android-Geräte bieten entsprechende Einstel­lungen.

Die Stimme lotst durchs Menü

Manfred Scharbach hat inzwischen viel Erfahrung. Er holt sein iPhone aus der Tasche - für ihn nur eine glatte Platte ohne jegliches Sicht­signal. Um die
Sprach­ausgabe zu demons­trieren, zieht er einen Finger über das Display, zügig und rhyth­misch, immer wieder. Jedes Wischen führt zu einer neuen Funk­tion,
die er angesagt bekommt: "Nach­richten." "Kalender." "Kontakte." Es ertönen auch Instruktionen wie "Zum Öffnen doppeltippen". Die Stimme klingt weiblich,
etwas blechern, sie ist ziemlich schnell - wer sie nicht kennt, den kann sie durch­aus stressen. "Das gibt sich", grinst Scharbach.

App-Anbieter vergessen oft die Bedürf­nisse von Sehbehinderten

Er nutzt dank Sprach­ausgabe und der gleichfalls auf Smartphones vorhandenen Sprach­eingabe sogar Aller­welt-Apps, vers­endet Mails und SMS, wischt sich
durch Fahr­planinfos, Nach­richtenportale und den Wasser­sport­wetterbe­richt. Er segelt gern. Mit sehenden Mitstreitern geht das. Allgemeine Apps helfen
ihm nur, wenn Hersteller bei der Gestaltung die Anforderungen von Blinden und Sehbehinderten bedenken. "Das passiert längst nicht immer."

Tipp: Viele Blinden- und Sehbehinderten­ver­eine bieten Schu­lungen für Smartphone-Neueinsteiger an. Teils gibt es dort auch die Möglich­keit, herkömm­liche
Hilfs­mittel wie Lupen oder Lesegeräte mit Apps zu vergleichen.

Eine App punktet besonders

Viele geprüfte Apps machen Nutzern die Bedienung leicht. Besonders positiv sticht die Text­erkennungs-App KNFB Reader für 100 Euro heraus. Als Einzige im
Test ist ihre Eignung durchweg hoch - für Blinde wie für Sehbehinderte, für iOS wie für Android. Die Apps zum Navigieren, zum Erkennen von Gegen­ständen
und die Hörbuch-App Audible schneiden nur bei manchen Nutzer­gruppen oder Betriebs­systemen so gut ab.

Vier Apps mit kritischem Daten­sende­verhalten

Bei der Android-Version von vier Apps bewerten wir das Daten­sende­verhalten als kritisch: bei Barcoo, KNFB Reader, Kuubus sowie Lupe + Licht. Sie über­mitteln
unnötiger­weise eine Gerätekennung, die das Smartphone eindeutig identifiziert. Zwei dieser Apps bedienen einen US-amerikanischen Profi-Daten­sammler.
Bei vier iOS-Apps - Audible, Barcoo, BlindS­quare, TapTapSee - konnten wir den Daten­verkehr nicht voll­ständig entschlüsseln.

iOS versus Android

Die geprüften Apps Audible und Barcoo eignen sich für Blinde auf dem iPhone besser, für Sehbehinderte auf Android-Geräten. Zwischen den Betriebs­systemen
gibt es Unterschiede, sagen Scharbach wie Mehr­lich: Android punkte bei Vergrößerungs­funk­tionen für Schrift, iOS bei der Sprach­ausgabe. Scharbach findet
es zudem hilf­reich, dass alle iPhones grund­sätzlich gleich funk­tionieren. Unterschiede der Benutz­eroberfläche je nach Hersteller wie bei Android gibt
es nicht. Nur Apple stellt iPhones her. "Allerdings haben sie ihren Preis." Scharbach möchte seine Anschaffung nicht missen - "vor allem, wenn ich etwas
regeln will oder auf mich gestellt bin". Oft jedoch nutzt er eine andere Hilfe, die für ihn das Sehen über­nimmt, ihn in allen Lebens­lagen stützt und
jedes Smartphone in den Schatten stellt: seine Frau.
--
Landesblinden- und -sehbehindertenverband Baden-Württemberg-Aktuell