Freitag, 10. Juli 2015
Menschen mit Behinderung: Sparen verboten!
Menschen mit Behinderung: Sparen verboten!

geschrieben am 29. Mai 2013 von Joerg Wellbrock

Von Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf

Für behinderte Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, wird der Kontostand nie die Grenze von 2.600 Euro überschreiten. Weil sie oberhalb dieser Summe nichts besitzen dürfen. Vor dem Gesetz ist also offiziell jeder Mensch gleich, es sei denn, er ist schwerstbehindert.

Die durch schwere Spastiken schwerstbehinderte Ursula T. hat alles richtig gemacht. Einerseits. Sie hat ein ausgezeichnetes Abitur hingelegt, Jura studiert und einen gut bezahlten Job bei der Bremer Baubehörde erhalten. Auf ihren Verdienst zahlt sie entsprechend hohe Steuern und Sozialabgaben. Und hier kommt das Andererseits: Für die Pflege, die sie auf Grund ihrer Behinderung braucht, muss sie einen Teil selbst zahlen. Doch damit nicht genug. Ursula T. darf kein Geld ansparen. Das ist von vornherein nur bedingt möglich, denn ab einem Nettoverdienst von 1.400 Euro werden vom Staat bis zu 40 Prozent abgezogen. Je höher ihr Einkommen, desto größer die Abzüge vom ausgezahlten Gehalt. Bei 2.000 Euro netto sind das 240 Euro, bei bei 3.000 Euro 640 Euro, bei 4.000 Euro 1.030 Euro und so weiter. Im konkreten Fall von Ursula T. beträgt ihr Nettoeinkommen 2.300 Euro, ihr Freibetrag jedoch wurde auf lediglich 1.100 Euro festgelegt. Nach Abzug der staatlichen Abgabe, der Miete, Ausgaben für Hilfen und weiteren Kosten bleiben ihr faktisch jeden Monat 700 Euro.
Würde Ursula T. sparsam haushalten, könnte sie wohl trotzdem etwas beiseite legen. Beispielsweise um sich irgendwann einen Urlaub zu gönnen, ein neues (behindertengerechtes) Auto zu kaufen oder auch, um fürs Alter vorzusorgen (wie lange das bei diesem Budget auch dauern möge). Doch ihr Vermögen darf 2.600 Euro nicht übersteigen. Alls, was darüber liegt, kassiert der Staat ein.
Erfolg verboten!

Was für andere Menschen gilt, trifft auf behinderte Menschen mit Assistenzbedarf offenbar nicht zu. Wer gut wirtschaftet und genug verdient, um etwas davon auf die hohe Kante zu legen, wird gesellschaftlich geachtet, geschätzt und ist beliebt. Auch und gerade bei Finanzdienstleistern, Versicherungen, Autohäusern, Banken und Einzelhändlern. Behinderte Menschen dagegen brauchen sich über Anschaffungen oder finanzielle Absicherung keine Gedanken zu machen. Erfolgreich zu sein, ist ihnen von Rechts wegen verboten. Doch genau diese Auslegung widerspricht der UN-Konvention.
Ignoranz in Deutschland

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht folgende Regeln vor:

“Artikel 27: [...] Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem [...]
b) das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich Chancengleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, einschließlich Schutz vor Belästigungen, und auf Abhilfe bei Missständen zu schützen;”
“Artikel 28 Abs. 1: Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien, einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung.”

Was in Deutschland geschieht, ist also eine krasse Zuwiderhandlung der UN-Konvention. Im Übrigen sollten sich behinderte Menschen genau überlegen, ob sie die Liebe ihres Lebens heiraten oder das doch besser bleiben lassen. Denn die Vermögensgrenze von 2.600 Euro wird auch auf den Ehepartner übertragen. Wenn man einbezieht, dass 2013 das Jahr der Inklusion, also der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft, ist, wirkt die gängige Praxis um Umgang mit behinderten Menschen wie blanker Hohn.

Petition von Constantin Grosch: Ursula von der Leyen muss sich positionieren!

Zuständig für die Thematik ist Ursula von der Leyen. Genau die soll sich klar zu der Problematik äußern, findet Constantin Grosch, der eine Petition initiiert hat, um auf die unmöglichen Zustände aufmerksam zu machen. Grosch hat es eilig, er will die Zeit vor der Bundestagswahl nutzen, um eine endgültige Lösung herbeizuführen. Dafür will er mindestens 50.000 Unterschriften sammeln und sein Anliegen an den Bundestag herantragen.
Die Petition von Constantin Grosch ist hier zu finden

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/10092/menschen-mit-behinderung-sparen-verboten